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[Solve et Coagula]

US-WAHLKAMPF: Bush als Terrorjäger auf Stimmenfang

Von Marc Pitzke, New York, 7. September 2006

Es klingt, als habe sich der US-Präsident internationalem Druck gebeugt. Dabei handelt er vor allem aus innenpolitischem Kalkül: Erstmals hat George W. Bush die Existenz geheimer CIA-Gefängnisse bestätigt. Mit der Jagd auf Terroristen gibt er den Republikanern ein neues Wahlkampfthema.

New York - Nichts im Weißen Haus bleibt dem Zufall überlassen. Alles ist inszeniert, orchestriert, auf den größten PR-Nutzen ausgerichtet - eine Kunst, die viele US-Regierungen perfektioniert haben. In dieser Tradition steht auch der Knalleffekt, mit dem George W. Bush nach langen Spekulationen die Existenz von geheimen CIA-Terrorgefängnissen zugegeben hat.

Der Präsident hatte Hinterbliebene des Terroranschlags vom 11. September als Live-Publikum in den East Room des Weißen Hauses eingeladen und die Fernseh-Networks gebeten, ihr Programm zu unterbrechen. Handverlesene Kongressmitglieder waren am Vorabend gebrieft worden. Das Pressekorps bekam die "enorme Nachricht" - wie es ein Bush-Mann nennt - mittags gesteckt, damit Kommentatoren mobilisiert werden konnten. Die Rede selbst wurde von mehreren "Fact Sheets" flankiert.

Ein ausgefeiltes Programm - dem Knüller angemessen. Nach einer länglichen Einstimmung, in der er an den 11. September erinnerte, verkündete Bush: Die USA hätten nicht nur in Guantanamo Bay Terrorverdächtige inhaftiert, sondern "eine kleine Zahl mutmaßlicher Terroristenanführer" auch anderswo, außerhalb der USA. Genauer: "In einem separaten Programm, betrieben von der Central Intelligence Agency."

Fürs Publikum in Pittsburgh

Da war es also. Zehn Monate nachdem die US-Presse erstmals über CIA-Terrorcamps berichtet und damit vor allem in Europa einen Proteststurm ausgelöst hatte, bestätigte Bush deren Existenz. Ohne von "Gefängnissen" zu sprechen, sagte Bush, das CIA-"Programm" habe "unschuldige Leben gerettet, indem es uns geholfen hat, neue Anschläge zu verhindern - hier in den USA und in der ganzen Welt". Als Beispiel nannte er den Plan, ein Flugzeug auf den Londoner Flughafen Heathrow zu stürzen.

Insgesamt hätten sich bisher "weniger als 100" Häftlinge in CIA-Gewahrsam befunden, sagt ein Regierungsbeamter. Die letzten 14 von ihnen wurden Bush zufolge inzwischen allesamt nach Guantanamo verbracht, wo sie fortan dem Pentagon unterstehen und nun Militärprozesse erwarten. Unter den 14: hochkarätige Qaida-Verdächtige wie Chalid Scheich Mohammed, nach Bushs Worten "Mastermind" der Anschläge vom 11. September 2001. Außerdem Abu Subeida, ein "zuverlässiger Gefährte" Osama Bin Ladens. Und Ramzi Binalshibh, einer der engsten Unterstützer der 9/11-Terrorbande um Mohammed Atta.

Bush Enthüllungsfreude löste weltweit große Aufregung aus - und erweckte den Eindruck, der Präsident beuge sich internationalem Druck. Dabei handelt er überwiegend aus innenpolitischen Erwägungen. Sein Publikum saß nicht in Berlin oder Paris, sondern in Houston, Seattle, Pittsburgh.

Gerichtshofsurteil mit politischen Fallout

Das gab Bush natürlich nicht offen zu. "Warum jetzt?", fragte er rhetorisch und nannte zwei offizielle Gründe für den späten Zeitpunkt seiner Offenbarung. Erstens: "Wir haben unsere Befragung der Männer weitgehend abgeschlossen." Die CIA-Zellen, nunmehr leer, hätten ihren Dienst erfüllt - könnten aber, sagt Bush, jederzeit wieder aufgefüllt werden.

Zweitens: das Urteil des Obersten US-Gerichtshofs von Juni, das die bisherige Praxis geheimer Terrortribunale verboten und Bush gezwungen hatte, alle Gefangenen ordentlichen Militärverfahren zuzuführen. Auch die Männer in CIA-Haft. So blieb Bush schließlich nichts übrig, als das CIA-Geheimnis zu lüften - quasi ein lästiger Nebeneffekt des Gerichtshofsurteils, wie ein Bush-Berater gestern intern andeutete.

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http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,435602,00.html