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DIE LETZTE RUNDE

 
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Black2007
Earthfiler


Anmeldedatum: 19.10.2007
Beiträge: 2309
Wohnort: Innsbruck-Österreich

BeitragVerfasst am: 02.02.2010, 21:27    Titel: DIE LETZTE RUNDE Antworten mit Zitat

Zwei Männer sitzen einander in einem US-Hochsicherheitsgefängnis gegenüber. Sie sprechen über den größten Massenmord aller Zeiten – und über das Ende der Zukunft der Menschheit.

ÜBERGRIFFE

„Haben Sie jemals den Wunsch verspürt, einen anderen Autofahrer umzubringen, der Ihnen den letzten Parkplatz wegschnappt?“ Sie sahen einander an, der Journalist, an den die Frage gerichtet war, und der Biochemiker, der sie gestellt hatte. „Schon oft“, antwortete der Angesprochene und fügte herausfordernd hinzu: „Sie vielleicht nicht?“ „Aber selbstverständlich.“ Der Biochemiker war ungerührt. Seine haselnussbraunen Augen in dem schmalen Gesicht, das schon beinahe klischeehaft den Typus des Wissenschaftlers widerspiegelte, blickten gelassen. „Gewalttätigkeit im Straßenverkehr ist die natürlichste Sache der Welt. Sie gehört doch zu Ihrem täglichen Brot als Mann der Medien.“ Er beugte sich etwas vor und starrte seinem Gegenüber direkt in die Augen. Für einen Moment schien nicht der Biochemiker der Angeklagte zu sein, sondern sein Gesprächspartner, der freiwillig in den Hochsicherheitstrakt des ausbruchssicheren Green Haven Stormville-Gefängnis im Staate New York gekommen war. „Vielleicht können Sie mir noch eine Frage zu einem anderen Phänomen beantworten, das Ihnen als Journalist wohl vertraut sein dürfte. Wollen Sie?“ Der Angesprochene nickte. „Will’s versuchen“, erwiderte er vorsichtig. „Wie lautet sie, Professor?“
„Sie lautet: Was ereignet sich ausnahmslos, wenn Menschen anderen Menschen mit Haut und Haaren ausgeliefert sind, wenn keiner fragt, was mit den Wehrlosen geschieht, wenn niemand für irgendetwas zur Verantwortung gezogen wird?“ Die Frage kam völlig unerwartet. Der Überrumpelte setzte zu einer Antwort an, hielt inne, räusperte sich, und klappte den Mund wieder zu. Nach sekundenlangem Schweigen, während dem sich der sardonische Blick des Wissenschaftlers wie ein Laserstrahl in sein Gehirn zu bohren schien, würgte der Journalist die einzig möglich Antwort heraus: „Es kommt zu Übergriffen.“ „Wie vornehm ausgedrückt“, höhnte der Biochemiker. „Nur keine Gewalt der Worte, wie es heute so edel heißt. Nennen wir einen Mörder einfach ‚ungestümer Selbstverwirklicher‘ und schon ist die Welt gleich ein Stück besser. Nein, lieber Freund, es kommt zu keinen ‚Übergriffen‘, es kommt unweigerlich zu Gräueltaten. Wieso eigentlich? Wieso pflegen Menschen ihnen ausgelieferte Artgenossen bestialisch
zu quälen und nicht selten umzubringen, auch wenn diese ihnen gar nichts getan haben, ja, sie die Opfer nicht einmal kennen?

NATÜRLICHE SELEKTION
Könnte man sich nicht ebenso gut zusammensetzen und etwas Sinnvolles tun, vielleicht sogar Freundschaft schließen?“ Der Häftling erwartete
offenbar gar keine Antwort, denn er fuhr mit seltsam eindringlicher Stimme fort: „Was mich interessieren würde ist, wieso jedermann rabiate Autofahrer, Gräueltaten und Gemetzel für völlig normal hält.“ Dieser Rollentausch irritierte den Journalisten. Mit einem Mal überfiel ihn ein Gefühl der Unwirklichkeit. Konnte das alles real sein? Er, ein hoch bezahlter Spitzenschreiber der „New York Times“ und unbescholtener Steuerzahler – wenn man von gelegentlichen Schwarzeinnahmen absah – wurde vom größten Massenmörder aller Zeiten gefragt, was er für normal hielt. Na schön, warum sollte sich ein Monster nicht Gedanken über die brutale Unvernunft seiner Artgenossen machen? Vielleicht war das sogar ein guter Einstieg in das außergewöhnlichste Interview seiner gesamten Laufbahn. „Nun“, der Journalist kratzte sich am Kinn, um Zeit zu gewinnen, „ich denke, weil es normal ist. Immerhin sind wir eine gewalttätige Spezies, die vor stammesgeschichtlich sehr kurzer Zeit noch Keulen geschwungen hat.“ Langsam kam er in Fahrt. Es machte sich jetzt bezahlt, dass er dem Thema „Gewalt in der menschlichen Geschichte“ wiederholt Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Konnte das vielleicht der Grund dafür sein, wieso er jetzt hier saß, und nicht irgendein anderer, ebenso prominenter Kollege aus der schreibenden Zunft? Wie auch immer, er war willens und in der Lage, den Ball aufzunehmen: „Aggressivität ist, wie es scheint, ein zusätzlicher Selektionsvorteil“, dozierte er weiter. „Wenn eine Art keine natürlichen Feinde mehr hat, beginnt sie sich dann sozusagen selbst auszuselektieren.“ Das musste gesessen haben. Der Journalist war gespannt, wie der Mann, der mit Vorsatz, Bedacht und genialer Planung ein Virus entwickelt und freigesetzt hatte, das AIDS und sogar Ebola und seine Abkömmlinge an Tücke und Effektivität weit übertraf, und der mit seiner Schöpfung bis zur Stunde mehr als ein Fünftel der Menschheit ins Jenseits befördert hatte, den Faden weiterspinnen würde.


„Hochinteressant“, stellte der Biochemiker fest. „Vielleicht ein wenig zu simpel. Glauben Sie im Ernst, dass sich mit diesem Vulgärdarwinismus der flagrante Irrsinn der menschlichen Spezies wirklich erklären lässt?“ „Wieso nicht?“ „Weil ein solches Verhalten in der gesamten belebten Natur absolut einzigartig ist. Ich erlaube mir sogar die Behauptung, dass Derartiges im Universum einmalig dasteht. Dies ist meine unerschütterliche Meinung, und darum bin ich hier und nicht in Stockholm, um den Nobelpreis entgegenzunehmen, den ich für den Aufbau des Enzyms ‚Annihilase‘ mit Sicherheit erhalten hätte.“


Bitte hier weiterlesen:


http://blacksnacks13.spaces.live.com/blog/cns!BD779161601D08D0!8664.entry

Freundliche Grüße
Steven Black
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