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Wladimir Putin: Plädoyer für Wirtschaftsgemeinschaft

 
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Solve_et_Coagula
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BeitragVerfasst am: 10.12.2010, 22:50    Titel: Wladimir Putin: Plädoyer für Wirtschaftsgemeinschaft Antworten mit Zitat

Plädoyer für Wirtschaftsgemeinschaft: Von Lissabon bis Wladiwostok

Ein Gastbeitrag von Wladimir Putin in der «Süddeutschen Zeitung»

Heutzutage ist es offensichtlich, dass der Ausbruch der weltweiten Krise im Jahr 2008 nicht nur durch das Aufblähen der «Blasen» und missglückte Finanzmarktregulierung verursacht wurde, sondern strukturbedingt war. Das Kernproblem besteht in der Kumulierung von globalen Ungleichgewichten. Das Modell, wonach das eine regionale Zentrum zügellos Anleihen aufhäuft und Güter konsumiert, während das andere Billigware produziert und Schulden aufkauft, hat versagt.

Darüber hinaus vollzog sich die Verteilung des geschaffenen Wohlstands äusserst ungleichmässig, und zwar sowohl zwischen verschiedenen Ländern als auch unter einzelnen Bevölkerungsschichten, was die Erosion der Beständigkeit der Weltwirtschaft bewirkte, das Aufflammen der lokalen Konflikte schürte und die Konsensfähigkeit der Weltgemeinschaft bei der Erörterung von akuten Problemen hemmte.

Die Krise machte es vielfach notwendig, Neubewertungen vorzunehmen, Risiken zu erwägen und die weitere Entwicklung durchzudenken, deren Grundlage nicht von virtuellen, sondern von realen Werten gebildet werden soll. Mit der Aufstellung solcher Postkrisenstrategien befasst man sich derzeit in allen führenden Zentren, einschliesslich der USA und Chinas. Auch Europa braucht eigene Zukunftsvisionen. Und so schlagen wir vor, diese Zukunft durch die Partnerschaft zwischen Russland und der EU gemeinsam zu gestalten. Damit könnten wir unser Anrecht auf Erfolg und beste Wettbewerbsfähigkeit in der modernen Welt gemeinsam geltend machen.
Man soll es offen zugeben: Sowohl Russ land als auch die EU erwiesen sich wirtschaftlich als recht anfällig. Dies wurde uns mit aller Deutlichkeit durch die Krise vor Augen geführt. Russland ist nach wie vor auf die Rohstoffkonjunktur stark angewiesen. Die Europäische Union erntet die Früchte ihrer langjährigen De-Industrialisierung und ist mit der realen Gefahr der Abschwächung ihrer Positionen auf den Märkten der Industrie und der Hochtechnologiegüter konfrontiert.

Gesammelte Kooperationserfahrungen

Ein für uns und die EU gemeinsames Problem des tendenziellen Rückstandes in manchen Bereichen der Bildung, Forschung und Entwicklung zieht herauf. Es sei hinzugefügt, dass insgesamt der heutige Stand der Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU den Herausforderungen, welchen wir gegenüberstehen, eindeutig nicht entspricht.

Um die Situation zu wenden, müssen wir die sowohl in Russland als auch in der EU vorhandenen realen Vorteile und Möglichkeiten nutzen. Dadurch könnte eine fürwahr harmonische Synthese der beiden Wirtschaften bewirkt werden – einer klassischen und bewährten in der EU und einer neuen und aufstrebenden in Russland, denen einander gut ergänzende Wachstumsfaktoren eigen sind.

Wir verfügen über moderne Technologien, Naturressourcen und Investitionskapital. Wir sind gesegnet mit dem einmaligen Leistungsvermögen unserer Menschen. Schliesslich stützen sich Russland und die EU auf bereits gesammelte ernstzunehmende Kooperationserfahrungen. Es freut mich, an dieser Stelle anmerken zu können, dass Deutschland, welches ja als Lokomotive der europäischen Integration agiert, auch auf diesem Gebiet für eine richtige Führungsstärke beispielgebend auftritt. Was schlagen wir also vor?

Für eine gemeinsame Industriepolitik

Erstens: Die Gestaltung einer harmonischen Wirtschaftsgemeinschaft von Lissabon bis Wladiwostok. In Zukunft kämen eventuell auch eine Freihandelszone, gar noch fortgeschrittenere wirtschaftliche Integrationsformen in Frage. In der Tat würde damit ein gemeinsamer Kontinentalmarkt entstehen, dessen Kapazitäten Billionen von Euro stark wären. Offensichtlich gilt es aber zunächst, alle noch verbleibenden Hemmnisse für den russischen WTO-Beitritt auszuräumen. Dann würden eine Vereinheitlichung der Rechts- und Zollvorschriften sowie der technischen Regelsätze folgen, aber auch die Umsetzung der Projekte anstehen, die die Engpässe in der gesamteuropäischen Verkehrsinfrastruktur eliminieren sollen.

Zweitens: Eine gemeinsame Industriepolitik, welche sich auf die Zusammenballung der Technologie- und Ressourcenpotentiale Russ lands und der EU stützen soll, aber auch die Implementierung von gemeinsamen Förderungsprogrammen für die in der realen Wirtschaft aktiven kleinen und mittelständischen Unternehmer zu beinhalten hat. Markenzeichen wie «Made in Germany» und «Made in EU» sind wahrlich Gold wert. Diese Leitbilder höchster technologischer Kultur sind so behutsam wie nur möglich zu behandeln. Sie dürfen nicht verlorengehen.

In Russland gibt es noch nicht so viele anerkannte Marken. Wir wollen aber konsequent unsere Betriebe modernisieren und dabei solche europäische Technologien zum breiten Einsatz bringen, welche die weitestgehende Kompatibilität mit unserer Produktionskultur und unseren Traditionen aufweisen. Aus meiner Sicht ist auf die gemeinsame Agenda die Frage zu setzen, wie wir eine neue Industrialisierungswelle über den europäischen Kontinent rollen lassen können, insbesondere dadurch, dass strategische Allianzen etwa in Bereichen des Schiff- und Flugzeugbaus, der Automobilproduktion, der Weltraumtechnologien, der Medizin- und Pharmaindustrie, der Kernenergie und Logistik geschmiedet werden.

Verstehen Sie mich bitte richtig: Diese These ist alles andere als ein Aufruf, Europa wieder zu einer einzigen grossen Produktionsplattform, einer Art Megafabrik umzuwandeln, wie wir sie aus Aufnahmen kennen, die um die vorige Jahrhundertwende gemacht wurden. Das soll eine High-Tech-durchdrungene Industrie des postindustriellen Zeitalters werden. Neue Produktionsstätten sollen schadstofffrei sein und hohe Umweltschutzstandards strikt befolgen.

Generell gilt es, alles, was mit der Ökologie, der fürsorglichen Nutzung der Naturressourcen und der Kontrolle des Klimawandels zusammenhängt, im Fokus der Aufmerksamkeit zu behalten. In diesem Bereich konnten Russland und die EU bereits überaus positive Erfahrungen machen. Lassen Sie nur unsere Zusammenarbeit beim Schutz und der Wiederherstellung der maritimen Umwelt der Ostsee in Erinnerung bringen.

Drittens: Die Idee eines gemeinsamen Ener giekomplexes in Europa pocht buchstäblich an die Tür. In den jüngsten Jahren war die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energie zwischen Russland und der EU ein Thema, das grössere Aufmerksamkeit auf sich lenkte und – offen gesagt – zu sehr politisiert wurde. Es ging so weit, dass man Russland unterstellte, seine Erdöl- und Erdgaslieferungen für die Lösung irgendwelcher politischer Aufgaben einsetzen zu wollen, was freilich gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte.

Die Wahrheit ist, dass Russland nach dem Zusammenbruch der UdSSR den direkten Zugang zu seinen grössten Exportmärkten verloren hatte. Es kam zu Problemen mit den Transitländern, die einseitige Vorteile aus ihrer Monopolstellung zu ziehen bestrebt waren. Darin wurzeln bekannte Streitigkeiten. Selbstverständlich entsprach diese Situation weder den Interessen Russ lands noch denen der Abnehmer unserer Energieressourcen.

Für eine abgestimmte Energiepolitik

Gerade deshalb stellten sich viele europäische Energieversorger und viele europäische Regierungen, auch die Bundesregierung, hinter die russischen Pläne, Gas-Pipelines durch die Ostsee (North Stream) und das Schwarze Meer (South Stream) zu bauen. Nach der Inbetriebnahme dieser Gasleitungen wird der europäische Kontinent ein diversifiziertes und flexibles System der Erdgasversorgung bekommen. Es steht für mich ausser Zweifel, dass dann alle künstlichen Probleme im Energiebereich der Vergangenheit angehören werden.

Von ausschlaggebender Bedeutung ist unsere Lernfähigkeit, nicht in Worten, sondern in Taten, unsere gegenseitigen strategischen Interessen zu berücksichtigen. Das lässt sich aber nicht über die Logik des «Dritten Energie-Pakets» der EU sagen. Bei allen guten Vorsätzen führt es grosse Risiken für die europäische Energiewirtschaft herbei und entkräftet den Willen der Investoren, in neue Projekte zu investieren. Im Ergebnis könnte es dazu kommen, dass wir, statt die Vorteile eines wettbewerbsfähigen Marktes zu geniessen, in einigen Jahren mit einer verfallenen Infrastruktur, Knappheit der Energieträger und folglich hohen Preisen für die europäischen Verbraucher zu tun haben werden.

Erinnert sei daran, dass es die schlecht durchdachte Liberalisierung der Finanzmärkte war, die zum massgeblichen Mitauslöser der Finanzkrise wurde. Es mag wohl niemandem daran gelegen sein, dass das Scheitern der Regulierungen in der Erdgasbranche eine neue Krise, nun aber im Energiebereich, entfacht. Es ist meine Überzeugung, dass das Leben selbst zur Gestaltung der gleichberechtigten und ausgewogenen Beziehungen zwischen den Lieferanten, Verbrauchern und Transitstaaten der Energieressourcen zurückzwingt. Die Etablierung solcher Beziehungen ist der eigentliche Sinn des neuen, von Russland angeregten Energievertrages.
Mittels der Verknüpfung unserer Bemühungen bekommen wir die Möglichkeit, nicht nur mit Energieressourcen zu handeln, sondern auch Aktiva auszutauschen und in allen Phasen der technologischen Wertschöpfungskette – von der Erkundung über die Förderung von Energieressourcen bis hin zu den Lieferungen an Endverbraucher – zusammenzuarbeiten. Ausserdem rufen wir zur Zusammenarbeit bei der Personalausbildung für den Energiebereich und beim Aufbau der Engineeringzentren, bei der Umsetzung von Projekten auf den Gebieten der Energieeffizienz, der Energieeinsparung und der Nutzung der erneuerbaren Energiequellen auf.

Viertens: Ohne eine entwickelte Industrie ist kein Fortschritt in der europäischen Bildung und Forschung möglich. Bereits jetzt entscheiden sich talentierte junge Leute viel weniger – und das gilt sowohl für Russland, als auch für die EU – für technische Berufe. Sie sehen für sich keine Zukunft als Inge nieure oder Facharbeiter und entscheiden sich für andere Fachrichtungen, die mitunter eine geringere Qualifikation erfordern. Es hätte uns noch gefehlt, wenn, den Produktionsstätten folgend, nun auch Entwicklungsbüros und Engineeringfirmen aufbrechen und unseren Kontinent verlassen würden.

Für einen intensiveren akademischen Austausch

Europäische Wissenschaft und Bildung müssen sich ihre Führungsplätze sichern. Dies ist durch eine enge Partnerschaft leistbar. Russ land wird weiter in gesamteuropäische Forschungsprojekte investieren, wie den Bau des Röntgenlasers in Hamburg und des Beschleunigungszentrums in Darmstadt. Wir sind bereit, den europäischen Kollegen Forschungsmöglichkeiten an russischen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen anzubieten, auch im Rahmen der speziellen Förderungsprogramme.

Ausserdem gibt es in Russland gute Möglichkeiten, an einzigartigen Versuchsanlagen zu arbeiten. So wird bald eine Megaanlage für die Neutronenforschung, basierend auf einem Kernmeiler bei Sankt Petersburg, in Betrieb genommen werden. Als Gegenzug erhoffen wir uns Beiträge zur russischen Wissenschaft und Innovationsinfrastruktur. Inspirierend in diesem Sinne ist das Beispiel des Siemens-Konzerns, der sich bereit erklärt hat, ein firmeneigenes Kompetenzzentrum in der Innovationsstadt Skolkowo bei Moskau zu gründen.
Natürlich müsste man auch den Ausbau des Studenten-, Professoren- und Dozentenaustausches, die Kontakte zwischen Nachwuchsforschern und -fachleuten unterstützen. Wir wollen, dass Studenten aus Russland auf die Universitäten in der EU gehen, und wir sind unsererseits bereit, die Tore russischer Universitäten für junge Leute aus den europäischen Ländern breiter zu öffnen. Akademische Mobilität, gegenseitige Studienaufenthalte und andere Austauschformen sind auch deshalb so ungemein wichtig, weil sie bei der Herausbildung einer einheitlichen Technologie- und Unternehmenskultur sehr hilfreich sind.

Fünftens: Echte Partnerschaft wird auf unserem Kontinent unmöglich bleiben, solange menschliche und geschäftliche Kontakte behindert werden. Der grösste Störfaktor dabei ist der bestehende Visumzwang zwischen Russland und der EU. Aus unserer Sicht soll die Einführung der Visafreiheit nicht das Ende, sondern den Anfang einer echten Integration von Russland und der EU manifestieren. Von der Reisefreiheit werden zuallererst unsere Jugend, Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten profitieren. Sie kommen dann an neue Chancen für Reisen, Bildung und Kennenlernen einmaliger Kulturen verschiedener Länder.

Mit der Aufhebung des Visumzwangs wird ein ernsthaftes Hindernis auch für die Ausweitung der Geschäftsaktivitäten abgebaut werden. Für Grossunternehmen stellen Visafragen heute kein Problem dar, doch dem kleinen und mittelständischen Unternehmertum, den innovativen Firmen setzen sie recht kräftig zu. Im Grunde genommen wird dadurch die bestehende, bei weitem nicht perfekte Struktur unserer Wirtschaftsbeziehungen künstlich konserviert.

Letztlich wird die Festsetzung der Fristen und eines exakten Zeitplans für die Einführung der Visafreiheit es möglich machen, die Zusammenarbeit zwischen den Rechtsschutzbehörden unserer Staaten zu verbessern und gemeinsam gegen die illegale Einwanderung, den Drogenhandel, die Organisierte Kriminalität und den Terrorismus wirksamer vorzugehen. Die Aussichten hierfür sind aber noch trübe. Den Rechtsschutzbehörden sind eben keine ausreichenden Anreize gesetzt, die sich aus der Einführung der Visafreiheit ergebenden technischen Probleme zu lösen.

Der Plan zur Erweiterung der realen Partnerschaft zwischen Russland und der EU ist hier von mir nur in grossen Zügen umrissen. Die Hauptfrage, die sich nun stellt, besteht darin, ob die Europäische Union zur Diskussion und der sachlichen Arbeit an solch einer Agenda bereit wäre. Bei allen vorhandenen Bedenken gewinnt der dargelegte Ansatz, glaube ich, zunehmend mehr Anhänger in der Europäischen Union.

«Die Chance, ein einheitliches und prosperierendes Europa aufzubauen»

Der Weg zu diesem Ziel wird offensichtlich etappenweise zu beschreiten sein und recht lange dauern. Als gleichberechtigte Partner werden Russland und die EU jeweils ihren Teil des Weges zueinander meistern müssen. Jedoch ist es ebenfalls offensichtlich, dass diese Arbeit nicht hinausgeschoben und die Zeit durch nicht enden wollende diplomatische Formalitäten nicht vertan werden darf.

Es sei betont: Russland hat kein Interesse an einer schwachen oder zerstrittenen Europäischen Union, weil dadurch indirekt auch der internationale Einfluss Russlands verringert werden würde und unsere Möglichkeiten schrumpfen würden, sich auf einen Partner verlassen zu können, der ähnliche, mitunter vollkommen übereinstimmende Interessen vertritt.

Die Annäherung zwischen Russland und der EU kann unmöglich gegen jemanden gerichtet sein und verlangt keinerlei Abschwächung der Beziehungen zu traditionellen Partnern und Verbündeten. Die erneuerten Prinzipien unseres Zusammenwirkens könnten wir im Grundlagenabkommen zwischen Russland und der EU verankern, an welchem jetzt gearbeitet wird. Dieses Vertragswerk ist mit einem strategischen Ansatz anzugehen. Wir sollten es versuchen, 20 bis 30 Jahre, ja 50 Jahre vorauszudenken.

Zum Schluss darf ich in Erinnerung rufen: 1990 traf der deutsche Kanzler Helmut Kohl eine sehr mutige Entscheidung: nicht abzuwarten, bis die DDR bereit sein würde, Teil eines vereinigten Deutschlands zu werden, sondern sich unverzüglich zu vereinen, damit Ost und West in Deutschland beim folgenden Prozess der beiderseitigen Eingewöhnung auf das Miteinander und der Lösung von gemeinsamen Aufgaben das Zusammenleben wieder erlernen könnten.

Die Geschichte bekräftigte die Richtigkeit solch eines entschlossenen Schrittes. Heute, unter neuen geschichtlichen Umständen, bietet sich uns die Chance, ein einheitliches und prosperierendes Europa aufzubauen. Setzen wir uns dieses Ziel, wird die Kompromissgestaltung in konkreten Fragen viel einfacher gelingen.

Mancher mag die in diesem Artikel geschilderten Überlegungen als zu anspruchsvoll bezeichnen. Doch in der heutigen Welt wird auch das möglich, was zuerst nur wie ein Traum anmutet. Gemeinsam konnten wir uns mehrmals davon überzeugen. Es gilt jetzt, schlicht und einfach die Ärmel hochzukrempeln und die Arbeit anzupacken.    •

Quelle: Botschaft der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland
(www.russische-botschaft.de/index.php?id=167&tx_ttnews%5Btt_news%5D=350&tx_ttnews%5BbackPid%5D=171&cHash=1e1f8498ae )

http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/....-wirtschaftsgemeinschaft/
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Solve_et_Coagula
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BeitragVerfasst am: 11.12.2010, 00:19    Titel: Wie Europa und Russland in der Welt von morgen bestehen könn Antworten mit Zitat

Wie Europa und Russland in der Welt von morgen bestehen können

Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin schlägt Kooperationsprojekt vor

von Karl Müller

Vor 20 Jahren, am 21. November 1990, unterzeichneten Regierungsvertreter 32 europäischer Staaten – einschliesslich der damals noch existierenden Sowjetunion – sowie der USA und Kanadas im Rahmen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE, heute OSZE) die Charta von Paris. Die Charta war eine öffentliche Erklärung über die Schaffung einer friedlichen Ordnung in Europa nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten und nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation (vgl. Zeit-Fragen Nr. 1 vom 4. Januar 2010).
Nachdem der russische Präsident Dmitrij Medwedew Ende 2009 mit einem Vorschlag für ein Europäisches Sicherheitsabkommen die sicherheitspolitischen Ziele der Charta von Paris aufgegriffen hatte, hat nun der Ministerpräsident des Landes, Wladimir Putin, die wirtschaftlichen Dimensionen einer möglichen Kooperation in ganz Europa (inklusive des asiatischen Teils Russlands – also «von Lissabon bis Wladiwostock») ausgeleuchtet und einen Vorschlag (siehe Seite 4) unterbreitet.

Schon die Charta von Paris hatte sich nicht nur für eine sicherheitspolitische Kooperation im engeren Sinne ausgesprochen, sondern auch – im Wissen um die Zusammenhänge zwischen beiden Bereichen – für eine staatenübergreifende gemeinsame Wirtschaftsordnung und eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit in ganz Europa.

Der russische Ministerpräsident hat seinen Vorschlag in einem Beitrag für die «Süddeutsche Zeitung» formuliert, als Diskussionsgrundlage für eine von der Zeitung veranstaltete Konferenz unter dem Titel «4. Führungstreffen Wirtschaft», die am 25. und 26. November in Berlin stattfand und bei der 40 Politiker, Wirtschaftsführer und Wissenschaftler als Referenten und Podiumsteilnehmer sowie 300 weitere geladene Gäste mitwirkten.
Die Krise von 2008 ist strukturbedingt

Seine konkreten Vorschläge einleitend und einbettend, hält der russische Ministerpräsident fest, «dass der Ausbruch der weltweiten Krise im Jahr 2008 nicht nur durch das Aufblähen der ‹Blasen› und missglückte Finanzmarktregulierung verursacht wurde, sondern strukturbedingt war». Erläuternd fügt er hinzu: «Das Kernproblem besteht in der Kumulierung von globalen Ungleichgewichten. Das Modell, wonach das eine regionale Zentrum zügellos Anleihen anhäuft und Güter konsumiert, während das andere Billigware produziert und Schulden aufkauft, hat versagt.» «Darüber hinaus», so Putin weiter, «vollzog sich die Verteilung des geschaffenen Wohlstands äusserst ungleichmässig, und zwar sowohl zwischen verschiedenen Ländern als auch unter einzelnen Bevölkerungsschichten, was die Erosion der Beständigkeit der Weltwirtschaft bewirkte, das Aufflammen der lokalen Konflikte schürte und die Konsensfähigkeit der Weltgemeinschaft bei der Erörterung von akuten Problemen hemmte.» Putin fordert einen neuen Weg, es sei notwendig, «Neubewertungen vorzunehmen, Risiken zu erwägen und die weitere Entwicklung durchzudenken, deren Grundlage nicht von virtuellen, sondern von realen Werten gebildet werden soll.» (Hervorhebungen durch den Verfasser)

Wirtschaftstätigkeit kann die Würde des Menschen schützen

Wer ehrlich auf die vergangenen 20 Jahre zurückblickt, der muss dieser Diagnose zustimmen. Die in der Charta von Paris von allen Regierungen Europas und auch von den Regierungen der USA und Kanadas formulierten Ziele, «eine die Würde des Menschen achtende und schützende Wirtschaftstätigkeit» zu fördern, Marktwirtschaften «hin zu dauerhaftem Wachstum, Wohlstand, sozialer Gerechtigkeit, wachsender Beschäftigung und rationeller Nutzung der wirtschaftlichen Ressourcen» aufzubauen (also soziale Marktwirtschaften), allen Menschen in den Unterzeichnerstaaten «Teilhabe an erhöhtem Wohlstand [zu] ermöglichen» und für diese Ziele «zusammen[zu]arbeiten», wurden zuwenig beachtet und nicht erreicht. Zuwenig beachtet wurde insbesondere die Forderung, «dass bei stärkerer Betonung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit innerhalb des KSZE-Prozesses die Interessen der sich entwickelnden Teilnehmerstaaten berücksichtigt werden sollten». (Alle Zitate aus der Charta von Paris)

Im Gegenteil: Die vergangenen 20 Jahre haben unter der Vorgabe der «Sieger» des kalten Krieges, die Staaten des ehemaligen Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) in Marktwirtschaften umwandeln zu wollen, diesen Ländern eine Form des Kapitalismus aufgezwungen, der nicht dem Willen dieser Völker entsprach. Dies haben alle Völker des östlichen Mitteleuropas, Südosteuropas und Osteuropas erfahren.

Wirtschaftliche Selbständigkeit ist Teil der Menschenwürde

Dies haben auch die Deutschen in der ehemaligen DDR erfahren müssen, die bis heute nicht wirklich gleichwertige Mitbürger in einem gemeinsamen Staate sind; denn ihnen wurde eine wesentliche Voraussetzung gleicher Freiheit erst gar nicht ermöglicht: die wirtschaftliche Selbständigkeit (vgl. hierzu grundsätzlich Karl-Albrecht Schachtschneider: «Die Bürgerlichkeit des Bürgers», in: Zeit-Fragen Nr. 45/46 vom 22. November; auch Peter Ulrich: «Integrative Wirtschafts ethik», S. 278 ff.: «Wirtschaftsbürgerrechte als Grundlage realer Freiheit für alle»). Auch nach 20 Jahren ist eine Mehrheit der Menschen im Osten Deutschlands auf staatliche Finanzhilfen angewiesen. Das Recht, ihren Lebensunterhalt durch eine würdige Arbeit zu bestreiten, und zwar dort, wo sie ihre Familien, ihre gewachsenen Beziehungen und ihr Lebensumfeld hatten, wurde ihnen nicht gelassen. Die 30 Betriebe, die ihnen nach Schorlaus «blauer Liste» zur genossenschaftlichen Weiterarbeit hätten überlassen werden können, bleiben wie ein Mahnmal der Wirtschaftsethik in Erinnerung. Nachdem nach 1990 fast die gesamte Wirtschaftsstruktur der ehemaligen DDR zur Konkursmasse herabgestuft wurde und fast nur noch verlängerte Werkbänke westdeutscher Unternehmen entstanden, ist es bis heute nicht gelungen oder war nicht gewollt, eine gesunde, sich selbst tragende Wirtschaftsstruktur mit soliden realwirtschaftlichen Arbeitsplätzen aufzubauen.
Die These, dass dies nicht nur eine innerdeutsche Tragödie war, sondern Teil eines grösseren Plans im Interesse des Finanzkapitals, dass also der Osten Deutschlands wie auch das gesamte östliche Mitteleuropa, Südosteuropa und Osteuropa insgesamt mehr oder weniger deindustrialisiert wurden und direkt (über die Häufung privater Schulden) oder indirekt (über die Häufung von Staatsschulden) an den Tropf der Finanzindustrie gehängt und so von dieser abhängig werden sollten, gilt es zu durchdenken.

Der russische Ministerpräsident jedenfalls spricht in bezug auf die EU deutlich von den faulen Früchten «ihrer langjährigen Deindustrialisierung» und damit einhergehend «der realen Gefahr der Abschwächung ihrer Positionen auf den Märkten der Industrie und der Hochtechnologie».

Stärkung der Realwirtschaft statt Blähung von Finanzblasen

Es ist deshalb nur folgerichtig, wenn Putin als erstes eine «gemeinsame Industriepolitik» vorschlägt und nach einer Agenda ruft, «wie wir eine neue Industrialisierungswelle über den europäischen Kontinent rollen lassen können», mit gemeinsamen Förderungsprogrammen «für die in der realen Wirtschaft aktiven kleinen und mittelständischen Unternehmen».

In der Tat: Der Niedergang der USA und Grossbritanniens und der Aufstieg zum Beispiel von China und Indien straft all jene Lügen, die in den vergangenen 20 Jahren auf die Geldwirtschaft gesetzt haben. So sind sowohl Abhängigkeiten vom Finanzkapital als auch von den Werkstätten ferner Länder entstanden. Beides ist gefährlich. Denn niemand wird garantieren können, dass das Geld, über das wir heute noch verfügen zu können glauben, morgen noch seinen Wert hat, um die Dinge zu bekommen, die wir benötigen. Geld macht nicht satt.
Genauso bedeutsam für die Zukunft Europas und Russlands ist eine ausreichende, gesicherte und finanziell gut kalkulierbare Energieversorgung, genauso bedeutsam sind auch Bildung und Wissenschaft. Beide Komplexe sind auch in Putins Vorschlag enthalten.

Freihandel sich respektierender Staaten als Friedenskonzept

Wenn Wladimir Putin schreibt, dass «der heutige Stand der Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU den Herausforderungen, welchen wir gegenüberstehen, eindeutig nicht entspricht», dann wird deutlich, dass es dem russischen Ministerpräsidenten mit seinem Vorschlag um das Ergebnis einer gründlichen Analyse weltpolitischer und weltwirtschaftlicher Kräftefelder und Gefahren geht.

Schon im August des Jahres hatte der russische Präsident Medwedew bei seinem Besuch in der Schweiz gemeinsam mit seinen Schweizer Gastgebern angeregt, eine Freihandelszone zwischen Russland und der Efta zu realisieren. Im Januar kommenden Jahres sollen die diesbezüglichen Verhandlungen beginnen, so der Efta-Generalsekretär Kaare Bryn in einem Interview vom 22. November (www.nachhaltigkeit.org).

Der jetzige Vorschlag des russischen Ministerpräsidenten für eine Freihandelszone zwischen Russland und der EU ist Teil eines Konzeptes für Gesamteuropa und zum beiderseitigen Vorteil, schliesslich für mehr Frieden gedacht.

Positive Reaktionen europäischer Industrie und Banken

Um so aufmerksamer sind die Reaktionen auf den Vorschlag des russischen Ministerpräsidenten zu beobachten. Welche Erklärungen gibt es zum Beispiel für die unterkühlten Reaktionen der deutschen Kanzlerin und der EU-Bürokratie? Etwaiger Druck der europäischen Industrie und der europäischen Banken auf die Politik können es nicht sein. Diese begrüssen Putins Vorschlag. Europäische Industrie und europäische Banken haben dazu beigetragen, dass sich das Handelsvolumen zwischen der EU und Russland seit 2000 – sieht man vom Krisenjahr 2009 ab – kontinuierlich ausgeweitet hat: von rund 86 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf rund 282 Milliarden Euro im Jahr 2008. (Angaben berechnet nach einer Pressemitteilung von Eurostat [76/2010] vom 28. Mai 2010) Russland ist nach den USA und der Schweiz der drittgrösste Handelspartner der EU. Aber diese Zahlen liegen noch immer weit unter dem, was möglich wäre.

Der russische Ministerpräsident nannte als neuralgische Punkte auf dem Weg nach mehr Zusammenarbeit nicht das Verhalten der Wirtschaft, sondern politische Widerstände, allen voran den bestehenden Visumszwang zwischen Russland und der EU. Bei einem Gespräch mit deutschen Unternehmern sagte Putin zudem, «dass die deutschen Behörden russischen Investoren Steine in den Weg legen». (Ria Novosti vom 29. November)
Wie schon der Vorschlag des russischen Präsidenten für ein neues Europäisches Sicherheitsabkommen, so verdient auch der jetzige Vorschlag des russischen Ministerpräsidenten eine unvoreingenommene Prüfung. Die politischen und vor allem die sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen der vergangenen 20 Jahre, von denen ganz Europa betroffen war und ist, fordern nach einem Blick nach vorne. Der russische Ministerpräsident hat seinen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Konstruktive Antworten sind gefragt. •

http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/....-morgen-bestehen-koennen/
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