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Die US Steuerbehörden: Ausweitung des Kampfgebietes (Schweiz

 
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Solve_et_Coagula
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BeitragVerfasst am: 19.03.2009, 13:52    Titel: Die US Steuerbehörden: Ausweitung des Kampfgebietes (Schweiz Antworten mit Zitat

Die amerikanischen Steuerbehörden: Ausweitung des Kampfgebietes (auf die Schweiz)

«Mein Bankier hat mir gesagt …»:

Gespräche mit Luis Suarez-Villa, Wirtschaftsprofessor, Universität von Kalifornien, Irvine

Luis Suarez-Villa hat sein Doktorat in Internationaler Politik an der Universität von Cornell erworben. Er ist Professor an der Universität von Kalifornien, Irvine, deren Mitglied er seit 1982 ist. Er ist spezialisiert in Innovationstechnologie und deren Zusammenhänge mit sozialen Veränderungen, wirtschaftlicher Entwicklung und regionaler Analyse. Luis Suarez-Villa hat längere Zeit im Ausland, insbesondere in Europa, in Asien und in Lateinamerika studiert, gelehrt und geforscht. Er arbeitet auch oft mit der Universität New York, den Vereinten Nationen sowie spanischen und brasilianischen Universitäten zusammen.

Im folgenden langen Gespräch erläutert und kritisiert Luis Suarez-Villa das amerikanische Steuersystem, das darauf angelegt zu sein scheint, den Schweizer Banken zu schaden. Er ist gegenüber gewissen Schweizer Banken und ihren expansionistischen Strategien, die auf maximalen Risiken ohne jegliche Weitsicht beruhen, nicht viel milder. Luis Suarez-Villa erläutert auch seine Theorie des «Technokapitalismus»1, die es erlaubt, die neueren Veränderungen im traditionellen Kapitalismus zu verstehen.

Daniel Laufer: Sie haben den Begriff des «Technokapitalismus» erfunden, bei dem «unantastbare Werte» entscheidend sind. Könnten Sie uns kurz erklären, was Sie darunter verstehen?

Luis Suarez-Villa: Der Technokapitalismus nimmt Bezug auf die Bedeutung der unantastbaren Werte wie Kreativität und Wissen. Der Technokapitalismus richtet seine Aktivität vor allem auf das Verständnis der Forschung und ihrer Bedeutung für die neuen Bereiche, die für das 21. Jahrhundert symbolisch sein werden. Diese Bereiche sind die Nanotechnologie, die Genomik, die Bioinformatik, die Gentechnologie, die Proteomik, die Biopharmazie, die Biorobotik und die Molekularinformatik, um nur einige zu nennen. Die Bedeutung des Technokapitalismus für die unantastbaren Ressourcen deckt auch die Dienstleistungen mit sehr hohem Mehrwert ab, die sehr grosse Kenntnisse erfordern, wie zum Beispiel die Finanzwelt, die medizinische Versorgung, die Erziehung und die Informatik. Diese Art der Dienstleistungen wird sehr stark an die neuen Bereiche gebunden sein. Zum Beispiel sind die medizinischen Behandlungen zunehmend mit der Biopharmazeutik, der Nanotechnologie und der Genomik verbunden. Als Folge davon ist eine neue Art von Medizin im Entstehen. Vielleicht könnte man sie Biomedizin nennen, in der man sich auf die Genetik abstützt.

Obwohl die Aussicht auf diese neuen Bereiche sehr verheissungsvoll ist, ist sie ebenso voll von schwerwiegenden grauenhaften Aspekten. Diese Aspekte betreffen die unerwarteten negativen Konsequenzen, die viele dieser neuen Technologien in sich tragen. Entscheidend und speziell erschreckend ist aber der Aspekt dieser neuen Bereiche, der sie mit den Aktivitäten der multinationalen Firmen verbindet. Die Grossunternehmen haben diese Bereiche in Beschlag genommen, und ihre absolute Priorität ist – vor allen anderen Überlegungen – gewöhnlich ganz auf den grösstmöglichen Profit und die Festigung ihrer Position ausgerichtet. Deshalb haben sie die Tendenz, den Profit über alle menschlichen Bedürfnisse zu stellen, und schädigen so oft unsere Gesundheit, die Natur und die Umwelt, zerstören die kulturellen Werte und korrumpieren die Politiker. Dies wird uns bereits vor Augen geführt durch die astronomische Zahl von Streitigkeiten und durch das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber vielen genetisch manipulierten pharmazeutischen Produkten. Somit konzentriert sich der Technokapitalismus auf die Macht der grossen Firmen und auf ihre erdrückende Kontrolle der Technologie im 21. Jahrhundert.

Auf Grund ihres hohen Bildungsstands und der grossen Qualität ihrer menschlichen Ressourcen ist die Schweiz eine Nation, deren Potential zur Generierung von Kreativität und neuen Kenntnissen enorm ist. Dieses Potential betrifft nicht nur die neuen Bereiche, die für das 21. Jahrhundert typisch sein werden, sondern auch die gut eingeführten Dienstleistungen wie das Finanzwesen, die medizinische Betreuung und die Erziehung. Die Schweiz ist deshalb sehr gut plaziert, um weiterhin eine sehr wichtige Basis zu sein für alle Dienstleistungen, die mit Wissen zu tun haben.
Schweizerische Tradition von Frieden und Respekt

Kaum eine andere Nation auf der Welt mit etwa gleichgrosser Bevölkerung besitzt ein Potential, das mit demjenigen der Schweiz vergleichbar ist, als vorherrschendes Weltzentrum für Aktivitäten, die auf Wissen und Kreativität beruhen.

Andererseits scheint das schweizerische Verständnis von Staatsführung mit ihren Volksbefragungen und weiteren Mechanismen viel demokratischer zu sein als jedes andere Staatssystem, das es bis heute gegeben hat. Die schweizerische Tradition von Frieden und Respekt für die anderen Völker ist ebenfalls entscheidend in diesem Zusammenhang. Frieden und demokratische Staatsführung sind entscheidende Elemente, um eine gesunde Grundlage von unantastbaren Ressourcen zu entwickeln, wie die Kreativität und das neue Wissen, die den menschlichen Bedürfnissen dienen, die Natur respektieren und ganz allgemein mithelfen, eine bessere Welt zu schaffen.

Auf Grund ihrer eigenen Geschichte hängt die Schweiz stark von den Dienstleistungsberufen ab, insbesondere von den Dienstleistungen im Finanzbereich. Muss man befürchten, dass, angesichts der Explosion der Dienstleistungsberufe in der ganzen Welt, der Finanzplatz Schweiz einen Teil seiner Anziehungskraft verlieren wird? Und wie kann er seine Vorteile aufrechterhalten, obwohl das Vertrauen in die Banken auf Grund der aktuellen Krise ganz generell stark gelitten hat?

Der Bankenplatz Schweiz ist dann in Gefahr, wenn er seine Wurzeln und seine schweizerischen kulturellen Werte vernachlässigt. Einer dieser grundlegenden Werte kann als Respekt der persönlichen Privatsphäre bezeichnet werden, was auch die finanzielle Privatsphäre beinhaltet. Die Vorsicht in Finanzfragen, die vor allem mit dem grösstmöglichen Verständnis für das Risiko in all seinen Ausprägungen und Dimensionen einhergehen sollte, ist eine typische Eigenheit. Das heisst auch, dass man nichts tut, was man bezüglich Werkzeug und Investitionsschema nicht versteht. Die grossen Verluste, die kürzlich von einigen der grössten Schweizer Banken eingefahren wurden, inklusive des Verlusts von einigen Tausend Arbeitsplätzen und der Zerstörung der Privatsphäre ihrer Kunden, für die sie von nun an mitschuldig sind, scheint darauf hinzuweisen, dass gewisse schweizerische Werte massiv vernachlässigt wurden.

Finanzielle Probleme der Schweizer Banken stammen aus den USA

Ein grosser Teil der finanziellen Probleme, mit denen die Schweizer Banken zur Zeit konfrontiert sind, und der ihnen – als auf das Kundenvertrauen angewiesene Unternehmungen – zugefügte Prestigeschaden, stammen aus den USA. Die von den Megabanken in den USA verfolgten Strategien – und nun auch von UBS und Credit Suisse (CS) – waren auf gewisse Vorstellungen und gewisse strategische Modelle gestützt, die die Wirtschaftsschulen der USA vor etwa 40 Jahren in Beschlag genommen haben. Diese Konzepte haben sich in den amerikanischen Wirtschaftsschulen verbreitet. Sie stützten sich auf die neoklassische Wirtschaft, insbesondere auf eine Art Werkzeuge, die als Modelle und Hypothesen des «allgemeinen Gleichgewichts» beschrieben werden können. Diese Modelle, die zu Beginn der 50er Jahre (in den USA) in Wirtschaftskreisen sehr bekannt wurden, sind sehr mangelhaft, nicht nur wegen ihrer Unfähigkeit, Risiken zu messen oder zu verstehen, sondern auch wegen ihrer irrealen Hypothesen in bezug auf Verhalten und Entscheidungsfindung des Menschen.

Diese Modelle und ihre daraus abgeleiteten Arbeitsweisen bilden das Herzstück der Ausbildung in Wirtschaftswissenschaften in den USA und sind ein zentraler Bestandteil der Studienprogramme der Handelsschulen, inklusive des Finanzbereichs. Sie wurden Generationen von Handelsschuldiplomanden beigebracht und bilden nun einen integrierenden Bestandteil der Handelspraxis in vielen Bereichen, inklusive im Finanzbereich. Sie werden auch weltweit gelehrt, seitdem die amerikanische Art des Wirtschaftens sich in den letzten zwei Jahrzehnten überall verbreitet hat. Diese Modelle haben als Schablonen für die Konzepte gedient, mit denen man den operationellen Arbeitsrahmen in fast allen Bereichen des Banken- und Finanzwesens bestimmte. Ihre breite Anwendung im Bankenwesen hat viel zu der heutigen weltweiten Finanzkrise beigetragen.

Maximierung des Profits mit allen Mitteln

Diese Konzepte und Modelle, die ich hier nicht genügend detailliert beschreiben kann, die aber unsere ganze Aufmerksamkeit finden müssen, sind von den Schweizer Grossbanken UBS und CS übernommen worden, als sie ihre Auslandbeteiligungen, speziell in den USA, aufbauten. In der Praxis und in ihren Konsequenzen haben diese Modelle, ihre Arbeitsrahmen und ihre Schablonen zu einer neuen strategischen und Managementkultur im Bankenwesen geführt. Diese neue operationelle Kultur basiert vor allem auf der erdrückenden, fast zwanghaften Beschäftigung mit der Maximierung des Profits mit allen Mitteln, inklusive den spekulativsten. Damit hat man die Risiken massiv unterschätzt und die finanzielle Privatsphäre der Kunden in Gefahr gebracht.

Die operationellen Arbeitsrahmen, gestützt auf diese engen und völlig unzulänglichen Modelle, wurden von den akademischen Gurus der amerikanischen Handelsschulen ausgeheckt, oft für Millionen Dollars verkauft und legitimiert. Einige dieser Gurus haben sich massiv bereichert, indem sie mit neuen Varianten dieser Modelle hausieren gingen und Werbung betrieben, indem sie diese als Ansätze der «best practice» bezeichneten und indem sie darüber hinweggingen, dass die meisten finanziellen Valorisationen meist hohe Risiken beinhalten. Die Resultate der irrealen Hypothesen dieser Modelle und der daraus resultierenden Strategien haben wir nun kennengelernt in Form der immensen Verluste, die die amerikanischen Megabanken und die Schweizer Banken, die sie kopiert haben, erleiden mussten. Es ist unnötig zu präzisieren, dass diejenigen, die diese Risikomodelle propagiert, verkauft oder verteidigt haben, jeglichen Kredit verloren haben, jetzt wo das weltweite Finanzsystem in der Krise versinkt.

Deregulierung war Ursprung einer riesigen finanziellen Spekulationswelle

Die breite Verwendung dieser Modelle, deren Arbeitsumfeld und der daraus abgeleiteten operationellen Schablonen, ist eng verbunden mit dem Prozess der finanziellen Deregulierung, der in den USA in den 80er Jahren begonnen hat. Diese finanzielle Deregulierung war ihrerseits – als die Lawine der Bankenfusionen und -übernahmen begannen – hauptverantwortlich für die Gründung der amerikanischen Megabanken, während die bestehenden Regulierungen abgebaut wurden. Diese Deregulierung war auch am Ursprung einer riesigen finanziellen Spekulationswelle, als neue unregulierte und äusserst risikoreiche Werkzeuge wie verbriefte Schulden, Kredit-Swaps, garantierte Schuldenobligationen und andere ohne jegliche Zurückhaltung und ohne Verständnis für die Folgen zu Spekulationsobjekten wurden. Allein der globale Wert der Kreditderivate ist zu Anfang der aktuellen Krise auf 520 Billionen Dollar geschätzt worden. Die Führer der Megabank Citibank haben geschätzt, dass sie in den nächsten Jahren wahrscheinlich 400 Milliarden Dollar werden abschreiben müssen. Im Klartext heisst das, dass mehrere Banken sich während mehrerer Jahre einer ungebremsten Spekulation hingegeben haben, ohne jegliche Voraussicht und Verständnis für die eingegangenen Risiken. Mit diesem Vorgehen haben die Banken während Jahren Rekordprofite erreicht, und die Direktoren dieser Banken waren bei den bestbezahlten aller Sektoren. Die Entschädigung für die Manager dieser Banken haben ganz erstaunlich zugenommen und erreichten oft das 600fache des Lohnes eines mittleren Angestellten dieser Banken.

Eines der Resultate dieses langdauernden und wilden Spekulationswahnsinns ist die dramatische Steigerung der Schuldenlast auf allen Ebenen: für den Konsumenten, für die Unternehmen, für die Regierungen und für praktisch alle Arten von Aktivitäten. Die Spekulation mit den Schulden scheint deshalb einer der Hauptgründe für das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten in den letzen 20 Jahren gewesen zu sein. Dieser Schuldenberg bedroht nun sowohl die amerikanische Wirtschaft wie auch das amerikanische Finanzsystem. Die USA sind heute das höchstverschuldete Land der Welt, was in völligem Gegensatz zur Situation während der 50er Jahre steht. Mindestens finanziell sind die USA ein bankrotter Staat. Es ist kaum nötig hervorzuheben, dass, weil die finanzielle Deregulierung der USA vom Rest der Welt nachgeahmt wurde, nun viele andere Staaten (und in Wirklichkeit das weltweite Finanzsystem) durch gewisse Probleme, die zurzeit die amerikanische Wirtschaft und sein Finanzsystem bedrohen, auch bedroht sind.

Dieser Schuldenberg, verknüpft mit der aktuellen Finanzkrise, hat einen plötzlichen Zusammenbruch des Wertes des US-Dollars bewirkt. Der Sturz des Dollars hat die weltweite Inflation unterstützt. Als dann die Preise der Nahrungsmittel und des Benzins dramatisch zugenommen haben, wurde mehr als eine Milliarde Menschen in noch grössere Armut getrieben. Die amerikanischen Megabanken sind mitverantwortlich für diese noch nie dagewesene Spekulationswelle, die die aktuelle weltweite Krise ausgelöst hat, als sie begannen, unzählige neue Investitionswerkzeuge zu schaffen, um Schulden zu verbriefen, Rating-Agenturen einzubinden – was ihnen für die Werkzeuge, die sie kreierten, gute Bewertungen verschaffte –, und in gewissen Fällen, indem sie Kontrollbehörden bestachen, damit sie die Augen vor den schockierendsten Bankpraktiken verschlossen. Sie haben auch auf der ganzen Welt eine finanzielle Deregulierung nach US-Muster verbreitet, indem sie die Regierungen ermutigten, die amerikanische Deregulierungsart zu übernehmen und indem sie Think tanks finanzierten, damit diese Berichte und Studien ausarbeiteten, die die Methoden der Megabanken unterstützten, ohne jegliche Rücksicht auf die Risiken, die dies beinhaltete.

Während die amerikanische finanzielle Deregulierung immer stärker wurde, blickten wichtige Schweizer Banken über den Atlantik und versuchten die entstehenden amerikanischen Megabanken zu imitieren. Sie (zum Beispiel UBS und CS) wurden selber zu Megabanken, indem sie Firmenkäufe und Kontrollübernahmen amerikanischer Megabanken nachahmten. Dies bedeutete auch, dass die Privatsphäre der Kunden beeinträchtigt und in gewissen Fällen auch ganz einfach vernichtet wurde. Um mit dem Kauf von amerikanischen Investment-Banken wie Paine Webber durch die UBS und First Boston durch die CS direkt auf den amerikanischen Markt eintreten zu können, mussten die grossen Schweizer Banken sich den amerikanischen Anforderungen unterziehen und die finanzielle Privatsphäre ihrer Kunden sogar in der Schweiz opfern. 2003 mussten die UBS und die CS die Daten ihrer amerikanischen Kunden offenlegen, und zwar im Rahmen dessen, was heute für die amerikanischen Behörden – die mit dem Eintritt dieser Banken auf den amerikanischen Markt einverstanden waren – einem stillschweigenden Austausch von freundschaftlichen Gesten gleicht. So haben sich die Schweizer Banken auf Wunsch der amerikanischen Behörden in gewisser Weise in einen Aussenposten des amerikanischen Fiskus in der Schweiz verwandelt.

Den Weltpolizisten zu spielen scheint ein sehr kostspieliges Unterfangen zu sein

Und weshalb stellen die amerikanischen Behörden solche Forderungen? Im Gegensatz zu fast allen anderen Staaten der Welt haben die USA ein extraterritoriales Steuersystem. Dies heisst, dass Personen mit Wohnsitz in den USA, ob US-Bürger oder nicht, der amerikanischen Regierung steuerpflichtig sind, wo auch immer sie sich in der Welt aufhalten. Somit scheint eines der Hauptziele der US-Behörden zu sein, von allen Staaten und ihren Banken finanzielle Daten von jeder Einzelperson, die in irgendeiner Weise mit den USA verbunden ist, zu erhalten, auch wenn sie dazu die nationale Gesetzgebung dieser Länder verletzen müssen.
Weshalb wollen die USA dieses exzessive und grenzenlose Steuersystem durchsetzen und weiterbetreiben? Ein Teil der Antwort ist mit den Militärausgaben verbunden. Der Wirtschaftswissenschafter und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat die Kosten des Irak-Krieges für die US-Regierung kürzlich auf 3 Billionen Dollar2 geschätzt. Darüber hinaus schluckt das US-Militärbudget, dessen Verschwendung unglaubliche Proportionen erreicht, heutzutage mindestens so viele nationale Ressourcen wie während der Jahre des kalten Krieges. Den Weltpolizisten zu spielen und seine Interessen wo und wann auch immer mit Gewalt durchzusetzen, scheint ein sehr kostspieliges Unterfangen zu sein. Alle diese amerikanischen Militärabenteuer, die Gefängnisse und das, was man schönfärberisch als «Rückführungen» bezeichnet und in Wirklichkeit Entführungen, Folter oder sogar Morde umfasst, sind sehr kostspielig und müssen bezahlt werden. Das amerikanische Steuersystem ist das Hauptmittel, um ein solches Vorgehen zu ermöglichen.

Engagement der Schweiz im völligen Gegensatz zur US-Militärmaschinerie

Es ist kaum nötig festzuhalten, dass das althergebrachte Engagement der Schweiz für den Frieden, den Respekt gegenüber den anderen Völkern und Kulturen in völligem Gegensatz zu dieser riesigen Militärmaschinerie und ihren kostspieligen Abenteuern steht. Trotzdem sind die Schweizer Banken zurzeit daran, US-Steuergesetze auf Schweizer Boden anzuwenden.
Vielleicht hilft uns dies, besser zu verstehen, weshalb die amerikanischen Steuerbehörden ähnliche Methoden wie die Geheimdienste anwenden. Festhalten, befragen oder Bankangestellte schmieren und systematisch die Daten über alle Banktransaktionen auf der ganzen Welt auswerten – gelten heutzutage als normale Praktiken, da die amerikanischen Steuerbehörden der Meinung sind, dass ausnahmslos alle Methoden zulässig seien, um sich immer mehr Steuereinnahmen zu beschaffen. Dabei müssen wir uns vor Augen halten, dass das amerikanische Volk nie direkt über Krieg, Steuern oder wichtige Regierungsentscheide befragt wird. Dies scheint aus der Staatsführung nach amerikanischem Muster ein sehr antidemokratisches System zu machen, im Vergleich zum Schweizer Staatssystem, das für alle wichtigen Entscheidungen auf die Volksbefragung zurückgreift. Es ist kaum nötig festzuhalten, dass die Lügen, die Verheimlichungen und die Tricks, die angewendet wurden, um dem amerikanischen Volk den Irak-Krieg zu verkaufen, kaum je möglich gewesen oder angeprangert worden wären, wenn die Amerikaner direkt befragt worden wären, so wie das Schweizer Volk bei allen wichtigen Entscheidungen, die die Staatsführung betreffen, regelmässig befragt wird.[…]3

Denken Sie, dass die wachsende Komplexität der Finanzwelt und ihrer Mechanismen von den politischen Entscheidungsträgern richtig verstanden wird? Riskieren wir in dieser Finanzkrise nicht, dass Dilettanten bedeutende Entscheidungen über Dinge treffen, von denen sie nichts verstehen?
Die Bankenchefs beklagen sich ständig darüber, dass die Politiker ihnen nicht genügend zuhören. Die Politiker müssen zuhören, aber sie müssen das Allgemeinwohl im Auge behalten, welches oft den Interessen der Banken entgegensteht. Die Bankenchefs haben als oberste Priorität, Profite zu machen, aber die Politiker müssen dem Allgemeinwohl und dem nationalen Interesse die oberste Priorität geben. Die Politiker müssen vorsichtig sein und die kulturellen Werte unterstützen, wenn diese durch kommerzielle Interessen bedroht werden. Das Allgemeinwohl und kommerzielle Interessen können manchmal übereinstimmen, aber dies ist selten der Fall. Hier geht es um Machtverhältnisse, und keine der beiden Seiten fühlt sich der anderen gegenüber sehr wohl.

Manchmal, wenn sich die Banken auf ihre Hauptaufgabe, nämlich die Profite, konzentrieren, können sie kulturelle Werte in Gefahr bringen. Als zum Beispiel die Schweizer Banken, die in den USA aktiv sind, zu Informanten wurden und die amerikanischen Steuergesetze auf Schweizer Boden angewendet haben, hat dies die Privatsphäre als schweizerischen Wert in Mitleidenschaft gezogen. Und weshalb haben die Schweizer Politiker diese Art der Besteuerung akzeptiert? Spielten sie auf einer Partitur, die von den Banken in Hinblick auf die erhofften, grossen Profite geschrieben war, in diesem Fall für ihre Geschäfte in den USA?

Sie haben kürzlich in der «Tribune de Genève»4 geschrieben, dass Ihrer Ansicht nach die unseligen Probleme, die kürzlich die Schweizer Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen haben, in der Hauptsache auf die Tatsache zurückzuführen sind, dass diejenigen, die diese verursacht haben, sich auf «nicht-schweizerische» Prinzipien stützten. Könnten Sie diesen Begriff verdeutlichen?

Es ist schwierig, die kulturellen Werte zu synthetisieren. Üblicherweise sind sie in den Gesetzen und Bräuchen einer Nation verankert, manchmal ganz deutlich, jedoch oft ganz subtil. Ich wäre bereit, die Respektierung der Privatsphäre als einen sehr wichtigen Schweizer Wert zu betrachten. Dies ist ein Wert mit vielen Facetten, die unter anderem zugleich intellektueller, finanzieller und politischer Natur sein können. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich die Privatsphäre als mehrdimensional betrachte und nicht beschränkt auf finanzielle Angelegenheiten. Im Finanzsektor ist die Privatsphäre wahrscheinlich der wichtigste Wert, der die langfristige Lebensfähigkeit des Finanzsystems der Schweiz unterstützt, und zwar nicht nur bei externen Transaktionen, sondern auch bei internen Transaktionen für das Schweizer Volk. In der politischen Arena ist dies ein Wert, der den helvetischen Ansatz der Demokratie vertritt, der die direkte Befragung der Wählerschaft – oft durch Vernehmlassung – beinhaltet, ferner das Recht, seine eigenen Ansichten und politischen Wahlmöglichkeiten, auch im Privaten, zu haben – was wiederum mit der persönlichen Würde und Identität einhergeht – ohne dass zuvor ein offizielles Einverständnis eingeholt werden muss.
Ablehnung von Krieg und Aggression

Ein anderer Wert ist das traditionelle Engagement der Schweiz für den Frieden. Dieser Wert beinhaltet die Ablehnung von Krieg und Aggression. Die Eroberung, das Bezwingen und die Forderungen an andere Nationen stehen diesem Wert ganz klar antithetisch gegenüber. Nationen zu unterstützen, die Krieg führen, die erobern und anderen Völkern ihren Willen auferlegen, ist gleichermassen antitethisch. Eine solche Unterstützung kann nicht allein in diplomatischer, politischer und kultureller Hinsicht verhindert werden, sondern auch in finanzieller. Es wäre zum Beispiel wichtig, dass die Schweizer Banken nicht dazu beitragen, Nationen und Steuersysteme zu unterstützen, die in Aggression, Eroberung oder die Verfolgung anderer Völker investieren.

Die Achtung anderer Nationen und ihrer Kulturen kann ebenfalls als ein kultureller Schweizer Wert betrachtet werden. Dieser ist stark mit dem Engagement der Schweiz für den Frieden verbunden, wie bereits oben erwähnt. Eine solche Achtung ist mehrdimensional. Dies schliesst zum Beispiel die Anerkennung der Unterschiede in den Sprachen, der Geschichte und der Traditionen ein. Dieser Wert zeigt sich im multilingualen Rahmen der Schweiz und in der Anerkennung der verschiedenen Kulturen in ihrer Geschichte und in ihrer nationalen Identität.

Ein weiterer Wert ist die Einhaltung der Voraussetzungen, die für die menschliche Existenz nötig sind. Zu diesen gehören die medizinische Versorgung, die Bildung und die öffentliche Sicherheit. Auch die Rechte der Angestellten gehören dazu. Diese Voraussetzungen sind für gewöhnlich erfüllt, indem der Zugang zu alledem gewährleistet wird. Sie zu unterstützen meint auch, dass man nicht die Vorbilder anderer Nationen kopiert oder imitiert, vor allem nicht jene, in denen ganze Bevölkerungsteile keinen Zugang zu diesen Möglichkeiten haben, abgeschoben oder diskriminiert werden. Die Modelle, die vorgeben, die menschliche Initiative zu deregulieren oder zu befreien, zerstören am Ende zu oft Möglichkeiten für einen grossen Teil der Bevölkerung oder verunmöglichen diesem den Zugang zu ihnen. Diese Voraussetzungen sind eng mit der sozialen Gerechtigkeit verbunden, was die Einbeziehung und die ausgleichende Gerechtigkeit in sozialen und rechtlichen Angelegenheiten meint, sowie die Möglichkeit, die menschliche Existenz auf eine würdige Art und Weise zu unterstützen. •

1 vgl. Homepage von Prof. Suarez-Villa: www.technocapitalism.com
2 Diese von den Medien breit aufgegriffene Schätzung ist Grund für starke Auseinandersetzungen in den USA.
3 Die beiden hier ausgelassenen Fragen und Antworten wurden bereits in Zeit-Fragen Nr. 9 vom 4. März publiziert.
4 Leserbrief vom 18.4.2008
Quelle: Mon bankier m'a dit …, Kap. 1,

http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/....gebietes-auf-die-schweiz/
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