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Die Insel der Schande

 
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Solve_et_Coagula
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BeitragVerfasst am: 07.09.2010, 15:17    Titel: Die Insel der Schande Antworten mit Zitat

Die Insel der Schande

Von Christoph Neidhart, Tokio. 7.9.10

Die USA unterhalten ein weltweites Netz von Militärbasen. Strategisch besonders wichtig ist Diego Garcia, ein Atoll im Indischen Ozean, vor allem mit Blick auf den Iran.

Weisses Haus
Die USA sind ein Imperium, das sich mit militärischen Mitteln weltweit Einfluss und Vorteile sichert. Dafür verletzen sie selbst eigene Grundsätze, insbesondere die Menschenrechte. Zu diesem Urteil gelangt der Anthropologe David Vine in seinem Buch «Island of Shame», in dem er die geheim gehaltene Geschichte der amerikanischen Militärbasis Diego Garcia im Indischen Ozean aufarbeitet.

Diego Garcia, das grösste Korallenriff im Chagos-Archipel, einer Inselgruppe 750 Kilometer südlich der Malediven, ist eine der abgelegensten Inseln der Welt. Zugleich ist das 27 Quadratkilometer grosse Atoll eine der wichtigsten US-Militärbasen ausserhalb Nordamerikas. Denn Diego Garcia liegt strategisch günstig zwischen Afrika, Australien, Indien und der Arabischen Halbinsel.

Tausend US-Basen

Die genaue Zahl der Stützpunkte, welche die USA über den ganzen Planeten verteilt unterhalten, ist geheim. Fachleute schätzen sie auf etwa tausend. Auf Diego Garcia dürfte das Pentagon permanent 3000 bis 5000 Mann stationiert haben, dazu B-1-, B-2- und B-52-Bomber, Aufklärungsflugzeuge, U-Boote und vermutlich auch Atomwaffen. Drei Kriege hat Washington bereits von dieser Insel aus gestartet: zwei gegen den Irak, einen gegen Afghanistan.

Auch für Kommando-Aktionen und geheime CIA-Flüge mit Häftlingen diente die Insel in der Vergangenheit wiederholt als Basis, und sollten die USA jemals den Iran angreifen, würden wohl erneut von Diego Garcia aus Kampfjets aufsteigen. Die amerikanische Marine hat unlängst angeblich ein U-Boot-Begleitschiff nach Diego Garcia entsandt mit dem Auftrag, die atombetriebenen amerikanischen Unterseeboote, die im Indischen Ozean kreuzen, mit Tomahawk-Raketen auszurüsten.

Früher waren die Briten da

Offiziell gehört Diego Garcia zu Grossbritannien, doch London hat die Insel Anfang der Siebzigerjahre Washington überlassen. Bevor das Pentagon mit dem Bau seiner Basis begann, verlangte das US-Verteidigungsministerium von den Briten, sie müssten die Insel räumen. Deshalb vertrieb London zwischen 1971 und 1973 die ganze Bevölkerung des Archipels. Die Regierung von Premier Edward Heath bestach Vine zufolge jene von Mauritius, die rund 2000 Inselbewohner aufzunehmen. Ohne finanzielle Unterstützung landeten fast alle in den Slums von Port Louis, der Hauptstadt von Mauritius. Viele von ihnen sollen dort an Kummer, Hunger und fehlender medizinischer Versorgung gestorben sein.

Vine glaubt, dass weder das britische Parlament noch der US-Kongress die Verschleppung gebilligt hätten, die gegen internationales Recht verstiess. Deshalb hätten die Regierungen in London und Washington die demokratische Kontrolle umgangen. Die Rechtsform, welche die britische Regierung für den Deportationsbefehl wählte, war ein Dekret, das Queen Elizabeth II im Namen ihrer Minister erlassen kann. Ein Londoner Gericht bezeichnete das Vorgehen 2004 allerdings als Machtmissbrauch.

Präsidentenlüge

In den USA belogen derweil mehrere Präsidenten den Kongress. So wurde behauptet, Diego Garcia sei unbewohnt gewesen, nur einige Zeitarbeiter hätten dort gelebt. Und weil die Inselbewohner keine amerikanischen Bürger sind und die Verschleppung ausserhalb der USA geschah, genossen sie keinen rechtlichen Schutz. Vine vergleicht dieses Vorgehen mit der kontroversen Behandlung Gefangener durch die Regierung von George W. Bush; Terrorverdächtige wurden ins Ausland verschleppt und gefoltert, damit sie für die amerikanische Verfassung und das US-Recht «unsichtbar» blieben.

Nicht nur von Diego Garcia seien Menschen verschleppt worden, schreibt Vine. Dasselbe Schicksal hätten auch Einwohner anderer Inseln erlitten, die 15 weiteren US-Basen weichen mussten. Ein Beispiel sind die Marshall-Inseln. Der frühere US-Aussenminister Henry Kissinger soll auf Bedenken erwidert haben, dass nur 90'000 Menschen betroffen seien. «Who gives a damn!?», soll er gesagt haben, auf Deutsch: «Wen kümmert das schon!?»

Ehemalige Sklaven

Dabei würden die Chagossier, wie sich die ehemaligen Bewohner von Diego Garcia nennen, alle Kriterien erfüllen, um als kleine Nation zu gelten. Entstanden ist sie aus afrikanischen und indischen Sklaven, die vor zwei Jahrhunderten zur Zwangsarbeit auf die Kokosnussplantagen der Insel verschleppt worden waren: Die Chagossier sind die Nachfahren der Opfer früherer Imperien.

In ihrer Erinnerung sei Diego Garcia ein Paradies, in dem sie arm, aber zufrieden gelebt hätten, schreibt Vine. Im Buch kommt Rita Bancoult, die 1928 geborene Mutter des heutigen Leiters der Chagossier-Flüchtlingsgruppe, ausführlich zu Wort. Sie verlor ihren Mann und drei Kinder bei der Deportation.

Ihr Sohn kämpft bis heute um das Recht auf Rückkehr. Britische Gerichte haben ihm in den vergangenen Jahren mehrfach recht gegeben, doch die Regierung in London hintertrieb die Urteile. 2008 gab auch das britische Oberhaus den Chagossiern recht, die letzte juristische Instanz in Grossbritannien. An eine Rückkehr ist freilich nicht zu denken, denn die USA wollen davon nichts wissen, zumal sich der Konflikt mit dem Iran verschärfen könnte.

Produktionsstätte für Kokosnüsse

Die Idee, das Korallenriff Diego Garcia, auf dem eine Kolonialfirma seit dem 18. Jahrhundert Kokosnüsse produziert hatte, als Militärstützpunkt zu nutzen, hatte Stuart Barber, ein früherer Nachrichtenoffizier der US-Navy. Er beugte sich 1958 über die Weltkarte und fand, die Vereinigten Staaten müssten das Vakuum füllen, welches das zerfallende Britische Empire hinterlasse. Nur so könne die im Zweiten Weltkrieg errungene Kontrolle über weite Teile der Welt gesichert werden. So wurde Diego Garcia zu einem der etwa tausend Stützpunkte, welche die USA zwischen Grönland und dem Südpazifik unterhalten.

Von diesen abgelegenen, oft auf Inseln errichteten Basen aus können die USA weite Gebiete mit ihrer Luftwaffe erreichen. Das ist laut Vine ein entscheidender Unterschied zum Britischen Reich, das seinen imperialen Anspruch einst mit Kanonenbooten und Truppen vor Ort durchsetzte. Die Amerikaner hingegen würden ihren Machtanspruch von fernen Stützpunkten aus signalisieren, von Diego Garcia aus vor allem im ölreichen Nahen und Mittleren Osten.

Vine zitiert den amerikanischen Militärexperten John Pike mit der Aussage, selbst wenn sämtliche Staaten in der östlichen Hemisphäre die US-Truppen hinauswürfen, könnten die amerikanischen Streitkräfte 2015 «den Planeten von Guam und Diego Garcia aus beherrschen».

Selbstversorger-Insel

Für dieses sogenannte Strategic Island Concept sollten die Stützpunkte möglichst isoliert und selbstversorgend sein, wie dem ursprünglichen Plan zu entnehmen ist. Das weltweite Netz permanenter Militärbasen sollte weder vom Wohlwollen der lokalen Bevölkerung abhängig sein noch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen. Das Konzept zeigt Vine zufolge, dass die Kriege im Irak und in Afghanistan keine «abweichenden Aktionen einer einzelnen US-Regierung waren, sondern (. . .) die Erfüllung der Vision zur Kontrolle weiter Teile Asiens und der Weltwirtschaft».

So ähnlich der Anspruch und der Zweck des amerikanischen Imperiums jenem des britischen Vorgängers auch sei, so dramatisch anders seien Washingtons Werkzeuge und Methoden der Herrschaft, betont Vine. Denn die USA kontrollierten andere Nationen nicht mit Kolonien, sondern via die zahlreichen Stützpunkte sowie mit wirtschaftlichem und politischem Druck. Die USA seien deshalb ein Imperium der «Unsichtbarkeit und der Fernsteuerung».

Gut recherchiertes Buch

David Vines sorgfältig recherchiertes Buch ist eine wütende Anklage. Sein Kronzeuge ist kein Geringerer als der verstorbene Navy-Offizier Stuart Barber, der sich das Konzept weltweiter Militärbasen ausdachte. Sein Sohn Richard Barber versichert im Epilog und in einem Brief an die Zeitschrift «New York Review of Books», sein Vater sei schockiert gewesen über die Grausamkeit, mit der die Einheimischen von Diego Garcia vertrieben worden seien. Militärische Gründe für die Räumung der Insel habe es keine gegeben.

(Tages-Anzeiger)

http://www.tagesanzeiger.ch/ausland..../story/15612653#kommentar
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