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Verfasst am: 27.02.2009, 22:50 Titel: »Ich rufe schon seit langem zum Boykott gegen Israel auf« |
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»Ich rufe schon seit langem zum Boykott auf«
Der Zentralrat der Juden hat sich zum Sprachrohr der israelischen Regierung gemacht. Ein Gespräch mit Evelyn Hecht-Galinski
Interview: Peter Wolter
Die Publizistin Evelyn Hecht-Galinski ist Tochter des früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Heinz Galinski
Ist es für Sie antisemitisch, zum Boykott israelischer Exportwaren aufzurufen, wie es Hermann Dierkes, der Duisburger OB-Kandidat der Linkspartei gemacht hat? Er ist am Donnerstag nach massiven Angriffen auch aus der eigenen Partei als Fraktionsvorsitzender zurückgetreten.
Warum sollte das antisemitisch sein? Ich rufe schon seit langem dazu auf. Ein Boykott ist solange angebracht, wie Israel fremde Gebiete besetzt hält und zum Teil besiedelt, wie es UN-Beschlüsse mißachtet und wie es immer wieder Kriege gegen das palästinensische Volk anzettelt.
Ein Boykottaufruf wird hierzulande schnell polemisch zu dem Faschistenspruch umgemünzt: »Kauft nicht beim Juden«. Sollte man solche Appelle nicht unterlassen?
Absolut nicht. Wir stehen doch heute vor dem Problem, daß Kritik an Israel und Antisemitismus immer wieder zusammengerührt werden. Beides sind unterschiedliche Dinge, die man nicht verwechseln darf.
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden (ZdJ) in Deutschland, Dieter Graumann, sprach in Bild mit Blick auf Dierkes Boykottaufruf von »Antisemitismus pur«, von moralischer Verkommenheit und Skrupellosigkeit. Wie werten Sie das?
Mir als Jüdin wirft der Zentralrat auch Antisemitismus vor. Er hat diesen Begriff durch seine beliebige Verwendung aber so entwertet, daß es heute schon fast lächerlich ist, jemanden »Antisemit« zu nennen. Die wirklichen Antisemiten, die es ja nicht nur in der NPD gibt, können sich ins Fäustchen lachen. Nicht der Antisemitismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sondern die Kritik an Israel.
Wenn ich »Antideutscher« wäre, würde mir zu Ihnen jetzt das Stichwort »jüdischer Selbsthaß« einfallen …
Erstens würde ich mich nie von einem »Antideutschen« interviewen lassen. Und zweitens: Über diesen Begriff kann ich mich nur totlachen. Ich bin ganz normal erzogen worden, ich bin nicht traumatisiert – bin also eine ganz normale deutsche Jüdin und verhalte mich auch so. Und im Gegensatz zu manchen Medien, Politikern und Verbandsfunktionären bin ich durchaus in der Lage festzustellen, daß sich die Schandtaten Israels in keiner Weise mit den vergleichsweise harmlosen Angriffen der Hamas mit ihren Kunstdünger-Raketen rechtfertigen lassen. Diese Raketen sind nichts anderes als die Reaktion auf Besatzung und Blockade von Gaza.
Ich bin auch in der Lage zu sehen, was jetzt in Israel abläuft: Avigdor Liberman, der sich im Zuge der Regierungsbildung jetzt anschickt, Außen- oder Finanzminister zu werden, ist ein lupenreiner Faschist.
Sie sehen also faschistische Tendenzen in der künftigen Regierung Israels?
Wenn Liberman und andere Ultraorthodoxe in die Regierung kommen, sind die Chancen für jede Art Friedensprozeß endgültig gleich null. Die Parteien, die die Regierung bilden, werden keinen Quadratmeter Land zurückgeben, sie werden immer neue Siedlungen bauen, sie werden Jerusalem nicht teilen. Und die deutsche Regierung – insbesondere Frau Merkel – hat jetzt schon angekündigt, daß sie mit jeder neuen Regierung gut zusammenarbeiten wird. Das heißt: auch mit einer faschistischen oder rassistischen. Das ist das besondere Verhältnis zu Israel, die deutsche Staatsräson.
Welche Rolle spielt dabei eigentlich der Zentralrat der Juden?
Als mein Vater noch Vorsitzenden war, war der ZdJ die Vertretung der Juden in Deutschland. Heute ist er Sprachrohr der israelischen Regierung. Seine heutige Präsidentin, Charlotte Knobloch, befindet sich nach eigenen Worten geistig schon seit langem in Israel. Sie sollte auch ihren Körper dorthin transferieren.
http://www.jungewelt.de/2009/02-27/034.php |
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